Wird die Immunität von Markwalder und Müller aufgehoben?

31. Mai 2015

Die Bundesanwaltschaft will gegen die beiden FDP-Nationalräte Christa Markwalder und Walter Müller ermitteln. Sie sieht genügend Anhaltspunkte für ein Strafverfahren. Da die beiden Mitglied des Nationalrates sind, unterstehen sie dem Schutz der Immunität. Die Anwaltschaft hat nun den Antrag gestellt, dass die Immunität für die beiden Politiker aufgehoben wird. Doch wie hoch sind die Chancen, dass die Immunität der beiden Parlamentarier aufgehoben wird?

Die Immunität schützt die Mitglieder der Bundesversammlung vor einer Strafverfolgung. Dabei wird zwischen zwei Arten von Immunität unterschieden. Die absolute Immunität schützt die Politiker vor strafrechtlicher und zivilrechtlicher Anklage. Sie gilt für Äusserungen im Parlament, den Kommissionen, Büros und Fraktionen. Sie kann nicht aufgehoben werden.

Anders sieht es bei der relativen Immunität aus. Sie schützt das Ratsmitglied nur vor strafrechtlicher Untersuchung. Sie gilt bei Delikten, welche in unmittelbarem Zusammenhang mit der amtlichen Tätigkeit stehen. Die relative Immunität kann von den zuständigen Kommissionen auf Antrag einer Strafverfolgungsbehörde aufgehoben werden. Um die Immunität aufzuheben, müssen sowohl die Immunitätskommission des Nationalrates als auch die Kommission fürs Rechtsfragen des Ständerates die Aufhebung beschliessen. Andernfalls bleibt die Immunität erhalten.

Als erster Schritt wird in der Kommission debattiert, ob es sich um einen Fall von relativer Immunität handelt. Kommt die Kommission zum Schluss, dass es sich um einen Fall von absoluter Immunität handelt, tritt sie nicht auf den Fall ein und teilt dies der Strafverfolgungsbehörde mit. In diesem Fall darf nicht weiter gegen das Ratsmitglied ermittelt werden. Kommt sie hingegen zum Schluss, dass die Tätigkeit nichts mit der amtlichen Stellung zu tun hat, tritt sie ebenfalls nicht auf das Gesuch ein. In diesem Fall darf die Behörde das Ratsmitglied strafrechtlich verfolgen. Nur wenn beide Kommissionen auf das Gesuch eintreten, kommt es zur Debatte der Aufhebung der Immunität.

Sind beide Räte auf das Gesuch eingetreten, wägt die Kommission zwischen Immunität und Rechtsgleichheit ab. Kommt sie zur Auffassung, dass die Rechtsgleichheit höher zu werten ist, hebt sie die Immunität auf. Nur wenn beide Kommissionen für eine Aufhebung stimmen, wird die Immunität aufgehoben. Andernfalls bleibt das Ratsmitglied geschützt.

Im Konkreten Fall von Markwalder und Müller debattiert zuerst die Immunitätskommission des Nationalrates, da es sich um Mitglieder des Nationalrates handelt. Anschliessend werden die Fälle auch in der Rechtskommission des Ständerates behandelt. Die Kommissionen werden mit hoher Wahrscheinlichkeit auf das Gesuch eintreten, da die vorgeworfenen Straffälle im Zusammenhang mit der Tätigkeit als Ratsmitglied stehen.

Die Kommissionen sind seit 2012 für die Fälle abschliessend zuständig. Früher hat das Parlament die Fälle behandelt. Insgesamt hat das Parlament 44 Immunitätsaufhebungsverfahren durchgeführt. In acht Fällen trat sie nicht auf das Gesuch ein, davon fünfmal wegen absoluter Immunität. Die Kommissionen haben erst zwei Fälle behandelt. Auf das Gesuch um Aufhebung der Immunität von Christoph Blocher trat die Kommission nicht ein für alle Straftaten, welche vor der Vereidigung begangen wurde.

Bis jetzt wurde die Immunität erst einmal aufgehoben. 1989 beschlossen die Räte einstimmig, die Immunität der zurückgetretenen Bundesrätin Elisabeth Kopp aufzuheben. In allen anderen Fällen wurde die Immunität beibehalten, darunter alle Fälle von Nationalräten. Die 2012 geschaffenen Kommissionen haben in beiden Fällen (Alfred Heer; Christoph Blocher nach Amtsantritt) die Immunität nicht aufgehoben. Der Entscheid bei Christoph Blocher war in der Immunitätskommission des Nationalrates mit fünf zu vier Stimmen äusserst knapp.

Da beide Kommissionen der Aufhebung zustimmen müssen, sind die Hürden sehr hoch. Dass die Immunität von Christa Markwalder und Walter Müller aufgehoben wird, ist eher unwahrscheinlich. Sogar wenn eine der beiden Kommissionen der Aufhebung zustimmen würde, wird die andere Kommission vermutlich den Antrag ablehnen. Da die Kommissionen jedoch erst zwei Fälle behandelt haben, ist eine genaue Prognose schwierig.

Mitglieder der Immunitätskommission des Nationalrates

Christian Lüscher, FDP, Präsident
Cesla Amarelle, SP
Viola Amherd, CVP
Heinz Brand, SVP
Roland Rino Büchel, SVP
Max Chopard-Acklin, SP
Alfred Heer, SVP
Gerhard Pfister, CVP
Andy Tschümperlin, SP

Mitglieder der Kommission fürs Rechtsfragen des Ständerates

Stefan Engler, CVP, Präsident
Fabio Abate, FDP
Pirmin Bischof, CVP
Raphaël Comte, FDP
Robert Cramer, GPS
Brigitte Häberli-Koller, CVP
Thomas Hefti, FDP
Claude Janiak, SP
Christian Levrat, SP
Thomas Minder, parteilos
Géraldine Savary, SP
Anne Seydoux-Christine, CVP
Markus Stadler, GLP

Foto: Parlamentsdienste 3003 Bern
Quelle: Faktenblatt Immunität