Ungebremste Jagd auf Nashörner
30. Januar 2015 | NZZ
Die Wilderei von Nashörnern in Afrika hat in den letzten Jahren massiv zugenommen. Obwohl viele Länder die Gesetze gegen die Jagd verschärft haben, floriert der illegale Handel mit dem Horn. Einzig Asien könnte dem mit Importkontrollen einen Riegel vorschieben.
Die Nashorn-Wilderei hat in den letzten Jahren in Südafrika stark zugenommen. Vergangene Woche hatte das südafrikanische Umweltministerium die neusten Zahlen veröffentlicht und eine massive Zunahme festgestellt. Wurden zwischen 1990 und 2007 jährlich durchschnittlich 15 Nashörner erlegt, waren es letztes Jahr 1215. Das ist eine Zunahme um mehr als das Achtzigfache.
Von den fünf weltweit noch existierenden Rhinozeros-Arten weisen die Breitmaulnashörner die grösste Population auf. Am Ende des 19. Jahrhunderts waren sie vom Aussterben bedroht; es gab nur noch 20 bis 50 Individuen. Dank rigorosem Schutz und Wiederansiedlungen erreichte die Population 2010 wieder einen Bestand von über 20’000 Tieren. Die grosse Mehrheit davon, nämlich 92 Prozent, lebt in Südafrika.
Die Population der Breitmaulnashörner sowie auch der Spitzmaulnashörner ist aufgrund der massiv gestiegenen Wilderei in den letzten Jahren kaum mehr gewachsen. Auch in anderen afrikanischen Ländern, wie z. B. Kenya oder Moçambique, hat die Jagd auf Nashörner zugenommen. Nur in Simbabwe ist die Zahl rückläufig. Gelingt es nicht, die Wilderei einzudämmen, wird sich die Zahl der Breitmaulnashörner wieder verringern. Tierschützer sorgen sich vor allem auch um das Spitzmaulnashorn, das vom Aussterben bedroht ist. Spitzmaulnashörner sind Einzelgänger, was ihren Schutz sehr schwierig gestaltet.
Der Grund für den starken Anstieg der Wilderei ist hauptsächlich das Interesse Vietnams und Chinas am Horn der Tiere. Da der Glaube herrscht, Rhinozeros-Horn habe Heilkräfte gegen diverse Krankheiten und sei ein Wundermittel, mit dem man Krebs heilen und die Potenz steigern könne, ist die Nachfrage vor allem in den beiden Ländern stark gestiegen. Das Horn wird in Pulverform verkauft, und bringt laut Experten-Schätzungen etwa 25’000 Franken pro Kilo Horn ein. Da der Wohlstand in Asien grösser geworden ist, können sich immer mehr Menschen Rhino-Horn leisten. «Die Chinesen investieren immer mehr Geld in Afrika und haben so mehr Kontakte auf dem Kontinent. Auch deshalb ist der Export von Nashorn nach China in den letzten Jahren angestiegen», sagt Alex Rübel, Direktor des Zoos Zürich, auf Anfrage.
Laut Rübel wäre der beste Schutz, wenn die asiatischen Länder – vor allem Vietnam und China – den Import durch bessere Kontrollen unterbinden würden. Vor Ort bliebe einzig die Bewachung der Tiere, was jedoch bei der grossen Breitmaulnashorn-Population in Südafrika nicht praktikabel sei. Alle anderen Massnahmen gegen die Wilderei hält Rübel für wirkungslos. «Möglich ist auch, den Nashörnern das Horn abzusägen. Doch dieses wächst wieder nach. Es müsste jedes halbe Jahr gekürzt werden. Häufige Narkosen aber würden die Tiere zu stark belasten», sagt Rübel.https://d1umsnw3kzdhxo.cloudfront.net/yIZ6b/1/
Ob eine Legalisierung des Nashornhandels durch «Farming» die illegale Jagd auf die Tiere unterbinden könnte, ist umstritten. Bei diesem Vorgehen würden einzelne Tiere wie Nutztiere gehalten und gezüchtet, um Horn zu gewinnen. «Bei den gefährdeten Krokodilarten funktioniert diese Massnahme», erklärt Rübel und fügt an, «bei den Nashörnern könnte es möglicherweise auch funktionieren.» Trotzdem sei Nutztierhaltung nicht das Ziel, wenn man die Tiere in der freien Wildbahn belassen möchte. Und auch wenn gleichzeitig Nashörner gezüchtet werden würden, wäre es für die Wilderer immer noch lukrativer, Tiere in freier Wildbahn zu töten. Die Rhinozerosse erleben teilweise einen grausamen Tod: Sie verenden qualvoll, nachdem ihnen bei lebendigem Leibe das Horn abgeschlagen worden ist.
Dass Nashörner so häufig gewildert werden, liegt auch daran, dass Wilderer von lascheren Gesetzen in Nachbarländern profitieren. Da Wilderer in Moçambique kaum verfolgt werden, kommen viele von ihnen über die Grenze in den Krüger-Nationalpark, den grössten Nationalpark Südafrikas. Danach flüchten sie zurück ins Ursprungsland. Umgekehrt wandern auch viele Nashörner über die Grenze nach Moçambique.
Im vergangenen Jahr hat Moçambique beschlossen, die Strafen gegen Wilderer drastisch zu verschärfen. Wie rigoros die neuen Gesetze tatsächlich angewendet werden, ist allerdings nicht bekannt. Auch Kenya hat strengere Gesetze verabschiedet. Seit Ende 2013 werden lebenslange Freiheitsstrafen oder Bussen von umgerechnet 250’000 Franken für Wilderei oder den Handel mit dem Horn verhängt. Auch in Südafrika drohen happige Strafen: Ein Wilderer wurde beispielsweise zu 77 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Das schreckt Nashorn-Wilderer bis jetzt jedoch nicht ab.