Wer bei den Ständeratswahlen wen und warum wählte
26. Oktober 2016 | Tagesanzeiger
Warum schneidet die SVP immer so schlecht ab bei den Ständeratswahlen, obwohl sie bei den Nationalratswahlen mit Abstand die stärkste Partei ist? Und warum trifft dies bei der SP nicht zu, obwohl sie auch eine Polpartei ist?
Man könnte meinen, der Bürgerblock würde sich bei den Ständeratswahlen gegenseitig unterstützen. Dem ist aber nicht so. Personen, welche die FDP-Liste bei den Nationalratswahlen 2015 eingelegt haben, unterstützen ihre eigene Partei am stärksten. So weit, so gut. An zweiter Stelle kommt nun aber nicht die CVP oder die SVP, wie man denken könnte, sondern die SP, die 15,5 Prozent der FDP-Stimmen erhielt. An die CVP-Ständeratskandidaten gingen hingegen nur gerade 12,1 Prozent der Stimmen.
Das Gleiche gilt auch für die CVP-Basis, die schweizweit gesehen der SP gegenüber der FDP den Vorzug gab bei der Wahl des Ständerates.
Ebenso trifft das auf die BDP- und die GLP-Basis zu, wo die SP ebenfalls bereits an zweiter Stelle kommt.
Anders sieht es bei den SVP-Kandidaten aus. Die FDP-Basis unterstützte SVP-Ständeratskandidaturen erst an vierter Stelle (ca. 10,5% der Stimmen), und die Unterstützung aus der CVP ist quasi inexistent (3,5% der Stimmen).
Was sind die Ursachen für diese extreme Differenz zwischen SVP und SP? Schaut man sich die Gründe der Wähler an, warum sie einen SVP-Kandidaten gewählt haben, so sieht man klare Unterschiede. Bei der Tamedia-Nachwahlbefragung (siehe Infobox unten) konnten die Umfrageteilnehmer aus mehreren Gründen auswählen, welche für sie entscheidend waren. Zur Auswahl standen die Persönlichkeit des Kandidaten, die Parteizugehörigkeit, das politische Profil, das Geschlecht, die Amtsführung, die Kompetenz oder ein anderer Grund.
- Hat ein Wähler als Wahlgrund die politische Position oder die Parteizugehörigkeit eines Kandidaten angegeben, so war seine Wahrscheinlichkeit, dass er einen SVP-Ständeratskandidaten unterstützte, grösser, als wenn für ihn keiner dieser Gründe entscheidend war.
- Die Kompetenz hingegen wurde kaum als Grund bei der Wahl eines SVP-Kandidaten angegeben. Da die Mittewähler in der Regel die Position der SVP nicht teilen, gaben sie ihnen auch keine Stimme.
Die SVP schneidet bei den Ständeratswahlen so extrem schlecht ab, weil die Wähler ihre Kandidaten in erster Linie als Parteisoldaten sehen und sie deshalb hauptsächlich von ihrer eigenen Basis gewählt werden. Die extremen Positionen und die stramme Parteiführung bringen zwar Vorteile für die Nationalratswahlen, scheinen sich aber bei den Ständeratswahlen nicht auszuzahlen.
Anders sieht es bei den SP-Ständeratskandidaten aus. Bei diesen waren die Gründe Kompetenz und Persönlichkeit ausschlaggebend für einen Grossteil der Wähler. Aus diesem Grund wurden sie auch von vielen Mittewählern unterstützt, da die Wähler nicht das politisches Profil des Kandidaten vor Augen hatten, sondern seine Persönlichkeit und Kompetenz. Und dies über alle Parteibasen hinweg.
Der SP gelingt es also im Unterschied zur SVP, ihre Kandidaten als kompetente Persönlichkeiten zu vermarkten. Deshalb schneidet sie bei den Ständeratswahlen überdurchschnittlich erfolgreich ab.Die Tamedia-Nachwahlbefragung wurde von Sotomo im Auftrag von Tamedia durchgeführt. Die Umfrage fand am Wahlwochenende der National- und Ständeratswahlen im Oktober 2015 statt. Fast 40’000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer haben die Umfrage online ausgefüllt. Die Daten wurden anschliessend nach Kanton, Alter, Bildung sowie dem Entscheidungsverhalten bei vergangenen Wahlen und Abstimmungen gewichtet. Der Wählerfluss (von den Nationalratswahlen zu den Ständeratswahlen) wurde mit einer gewichteten Häufigkeitstabelle berechnet. Welche Gründe für die Wahl entscheidend waren, wurde mithilfe einer multinomialen Regression eruiert.
Dieser Beitrag erschien zuerst auf politan.ch.